USBEKISTAN

Liebe und andere Schwierigkeiten

Daniel schleppt uns in sein Lieblingslokal im Herzen Taschkents. Trotz der Dämmerung hängt die glühende Hitze des Tages noch in der Luft und treibt die Gäste ins klimatisierte Innere. Arabische Livemusik dröhnt uns entgegen. Hauptsache laut, scheint die Devise. ‚Do you like it?‘, fragt Daniel ohne auf eine Antwort zu warten, sucht einen freien Tisch und den Augenkontakt der schönen Bedienung. ‚Very beautiful‘ grinst er. Wir bestellen Plov, das traditionelle Reisgericht mit Hammelfleisch und Salat, Daniel will nur Cola. Die Zuckerplörre ist in Usbekistan fester Bestandteil der täglichen Nahrungsaufnahme. Am Nachbartisch nuckelt ein Kleinkind seine Cola direkt aus der Babyflasche, ältere Kinder hopsen zuckergepusht zu den Rhythmen des Trommlers durch das Lokal, Mädchen bekleidet wie kleine Prinzessinnen in viel zu kurzen Tüll- und Plastikkleidchen. Kinder sind so etwas wie ein Statussymbol und wie viele man hat, ist oft die erste und entscheidende Frage.

Daniel hat keine Kinder. Er ist bereits Anfang dreißig und noch immer nicht verheiratet. Ein Spätzünder. Während er an seiner Cola nippt, erzählt er von seiner Verlobten und seiner Angst vor der Ehe. Kennengelernt hat er die 20-Jährige über ein Familienmitglied, nach wenigen Treffen hielt er bereits um ihre Hand an. Weil sie bildhübsch ist und nett wirkt  – und seine Familie ihn aus dem Haus wirft, wenn er nicht endlich heiratet. Etliche Ehen werden in Usbekistan nach wie vor arrangiert. Daniel ist seiner Zukünftigen noch nicht wirklich nahe gekommen und ob er verliebt ist, kann er auch nicht so genau sagen. ‚Hast du sie geküsst?‘, wollen wir wissen. Daniel verneint. Körperlichkeiten sind vor der Hochzeit tabu. Jedenfalls für seine zukünftige Frau. Er selber bildet sich gerne mit Damen weiter, die aus Langeweile oder Einsamkeit auf der Suche nach einem Bettgefährten sind. Bestenfalls sind sie älter als er, und können neben erotischer Erfahrung auch finanziell behilflich sein. Er berichtet von vermögenden Frauen, die ihren Liebhabern wertvolle Uhren und Autos schenken. So eine Geliebte möchte er unbedingt finden, weil sein Einkommen als Touristen-Guide keine großen Sprünge zulässt.

Wie das zusammenpasst? In dem weitgehend muslimischen Land ist der wichtigste Tag einer Frau nach wie vor ihre Hochzeit. Üblicherweise ist sie kaum älter als 20 Jahre, unbefleckt oder zumindest wieder zusammengeflickt. Bereits in jungen Jahren wird ihr eingebläut, das Wichtigste – ihr Hymen – zu schützen. Es passiert, dass Mädchen in der Schule spontan zu Massenkontrollen ihrer Jungfräulichkeit geschickt werden und wenn nach der Hochzeitsnacht keine Blutspuren auf dem Bettlaken zu finden sind, wird die frisch Angetraute oft zurück zu ihren Eltern geschickt. Eine Schande, die es dringlichst zu meiden gilt. Wenn alles erwartungsgemäß läuft, hat die junge Ehefrau wenige Monate Zeit, um für Nachwuchs zu sorgen. Der Druck der Familien ist so groß, dass oft schon nach dem ersten zeugungslosen Monat besorgt der Arzt aufgesucht wird. Ist endlich das heiß ersehnte Baby geboren, hat Frau erreicht, was ihr aufgebürdet wurde.

Während langsam der Alltag einzieht, lernt sich das Paar endlich kennen und meist nicht lieben. Oft revidiert der frisch gebackene Ehemann seine vorehelichen Zugeständnisse und erwartet, dass seine Frau ab sofort doch den Schleier trägt und zu arbeiten aufhört. In dem patriarchalischen Staat werden Frauen immer noch wenige Rechte zugesprochen, Schwiegermütter sind oftmals dominant und übergriffig, Gewalt an der Tagesordnung. Die perfekte Usbekin ist leise, brav, angepasst und dient ihrer Familie und ihrem Ehemann. Ist sie das nicht, werden kurz nach der Zeugung des ersten Nachwuchses viele frisch geschlossenen Ehen wieder getrennt. Die Städter begegnen den veralteten Traditionen zunehmend mit Intoleranz, sagt die Scheidungsrate, die Frauen sind auf der Suche nach echter Liebe und Zuneigung, sagt Daniel. Er ist zerrissen zwischen den Erwartungen seiner Familie und seinem Wunsch eines selbstbestimmten Beziehungslebens.

Seine beiden aktuellen Liebhaberinnen hat er auf einer Sozial-Media-Plattform im Internet gefunden, eine verheiratet, die andere geschieden. Ob seine Familie und der betrogene Ehemann davon wissen? ‚Nooooo!‘, das wäre eine Katastrophe für alle Beteiligten, versichert uns Daniel. Doch auch nach seiner Hochzeit plant er eine zahlungskräftige Sugar Mummy zu suchen und erotische Abenteuer mit älteren Damen zu erleben. Von seiner Zukünftigen erwartet er sich lediglich ein Baby – und gähnende Langeweile im Ehebett. Ihre Unerfahrenheit sorgt ihn dabei mehr, als alles andere. Er überlegt sogar auszuwandern, weil er westliche Frauen weniger verklemmt und viel experimentierfreudiger erwartet.

Welche Freiheiten Daniels Frau nach der Ehe erwarten? Er könnte sich vorstellen, sie weiter arbeiten zu lassen, und er möchte sie nicht zwingen, ein Kopftuch zu tragen. Den Sozial-Media-Account wird sie aber nicht bekommen, sie muss schließlich nicht alles haben. Seine hübsche Ehefrau, vielleicht wird sie sich irgendwann nach einem Trostspender umsehen.

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