TUNESIEN

Abenteuer Offroad: Eine Reise durch Tunesiens Wüstenlandschaften

Motorengeräusche durchbrechen die Stille des verschlafenen La Louza. Mit neugierigen Blicken folgen die Einheimischen unserem Landcruiser durch das kleine Dorf in Tunesien, das wir auf dem Weg zu einem abgelegenen Campingplatz am Meer passieren. Das Camp ist Treffpunkt einer bunt gemischten Gruppe Offroadverrückter mit einem gemeinsamen Ziel: Die Sahara – ein Sandspielplatz für Erwachsene mit perfekt ausgestatteten Spielzeugen. Im Konvoi fahren wir weiter zum Zeltcamp Zmela am Rande des Großen Östlichen Erg. Die Straße ist von kilometerlangen Olivenhainen gesäumt, in denen uralte knorrige Bäume stramm wie Soldaten in perfekt angeordneten Reihen stehen. Die Landschaft wird zunehmend karger und irgendwann kommt der Sand. Den Weg erkennt man jetzt nur noch an windverwehten Reifenspuren und an einem einsamen Wegweiser, der unsere Richtung bestätigt. Zmela erreichen wir, als die Sonne bereits dabei ist, hinter den ersten Dünen zu verschwinden und die Wolken am Himmel in einen roten Flockenteppich färbt.

 

Start in unendliche Dünenlandschaften

Mit den ersten Morgenstrahlen starten wir in das Meer aus Sandhügeln. Wie lange die Tour dauern wird, hängt vom Untergrund und unseren Fahrkünsten ab. Die letzten Zelte von Zmela sind noch in Sichtweite, da hängt ein Fahrzeug bereits mit der Nase in einer Senke und muss mit zwei Seilwinden herausgewinscht werden. Einem anderen fehlt der Schwung, um die Dünenkuppe zu erreichen und Platz zum Zurücksetzen. Auch uns holt die mangelnde Erfahrung schnell ein. Obwohl der Sand durch den Regen der vergangenen Tage relativ fest ist, haben wir oft zu wenig Schwung, bleiben krachend und Wirbelsäule-strauchend auf der Dünenspitze sitzen und müssen uns von einem anderen Fahrzeug über die Kuppe ziehen lassen.

Unsere Übung besteht deshalb darin, mit genau der richtigen Menge an Gas auf die Düne hochzufahren, und kurz hinter der Spitze bereits in leichter Neigung und im rechten Winkel zum Abhang stehen zu bleiben. Das erfordert viel Fingerspitzengefühl. Zur Schonung unserer Gestelle, halten wir uns deshalb erstmal beobachtend hinter den Profis. Die haben sich ihr Können bei zahlreichen Touren durch die Wüsten Marokkos, Tunesiens und Algeriens angeeignet. Spielend fahren sie über alle möglichen und unmöglichen Stellen und retten ganz nebenbei auch noch die Steckengebliebenen. Bei uns fährt das Adrenalin jedoch stetig mit und erreicht bei der ersten steilen Abwärtsfahrt, und bei einer Schräglage, die sich äußerst ungemütlich anfühlt, Spitzenwerte. Die Abfahrt im Sand erweist sich dabei als einfache Übung: Man achtet darauf in Falllinie zu fahren und lenkt dagegen, wenn das Auto seitlich wegrutscht. Gelegentlich muss man sogar Gas geben, um überhaupt vorwärts zu kommen. Die Schräglage ist anders. Mit zu hoher Geschwindigkeit rauschen wir über eine Dünenkuppe hinweg und kommen in einem viel zu spitzen Winkel zum Stehen. Das Auto droht, zu meiner Seite umzukippen. Ich reiße meine Tür auf und flüchte in Sicherheit.

 

Outback in Tunesien

Auf unserem Weg passieren wir den Verlorenen See, auch Roter See oder Ain Ouadette genannt. Das Frischwasser der aneinander gereihten Wassertümpel stammt aus einer Bohrung, die ursprünglich für die Erdölförderung angelegt wurde und Anlaufpunkt vieler Offroader ist. An diesem fast unwirkliches Ziel inmitten der Wüste gibt es eine kleine strohgedeckte Hütte, in der auf einem altertümlichen Gasherd frischer Kaffee oder Tee gekocht wird. Mein Kaffee ist typisch arabisch – mit viel Satz am Boden, dickflüssig und klebrig süß. 

Unsere Nachtlager schlagen wir in geschützten Tälern auf. Vereinzelte, trockene Büsche liefern Brennholz für das abendliche Lagerfeuer, das die heraufkriechende Kälte vertreibt. Um das Feuer sitzend schlagen wir abwechselnd Eiweiß zu Eischnee, um daraus Teig für Kaiserschmarren zu machen. Unsere Guides backen Sandbrot in der heißen Glut, klopfen die Reste von Asche und Sand ab, und reichen uns dazu nach Zimt duftenden Tee. Der Mond ist an diesen Abenden groß und rund. Sobald er sich über die dunklen Hügel schiebt, strahlt er sein silbernes Licht auf die Wüste, auf unsere Autos und auf Benno, der mit seiner Gitarre die unnachahmlich romantische Stimmung unterstreicht. 

Wir sind bereits weit weg von den üblichen Routen und der Sand wird von Tag zu Tag weicher. Als wir in einem Tal auf dem flachen Boden zu langsam werden, drehen die Reifen durch, wir sitzen auf. Sobald wir Gas geben, gräbt sich unser Auto noch tiefer in den Sand. Unsere Profis wollen helfen, müssen sich aber nach kurzen Versuchen selbst bergen lassen. Es scheint, als wäre der Boden im Nichts verschwunden. Nach etlichen Versuchen gelingt es, uns irgendwie gegenseitig auf festeren Untergrund zu ziehen. Jetzt ist aber klar, dass wir unser eigentliches Ziel, die großen Dünen von Sif es Souane, nicht erreichen werden.  

Offroaden in Tunesien

Dann platzt bei dem LKW ein Reifen und bei einem Toyota rächt sich die aufgeschobene Reparatur des Differentials, das jetzt den Geist aufgibt. Das kostet Zeit und sehr viel Geduld. Alleine und ohne helfende Hände durch die Wüste zu fahren, ist undenkbar. 

Gemeinsam beschließen wir, uns auf den Rückweg zu machen. Es wird der anspruchsvollste Tag unserer Tour, an dem wir viel Zeit für wenige Meter benötigen. Wir fahren gegen den Wind und haben direkt unter den steilen, meterhohen Dünenspitzen sehr weichen Sand. Zwischen den Bergen klaffen tiefe, unpassierbare Trichter. Das Training der letzten Tage scheint umsonst und es wird zur Geduldsprobe, wenn sich unser Auto immer wieder in den Sand gräbt. In der zunehmenden Mittagshitze werden die schweißtreibenden Bergungsarbeiten obendrein von Hunderten lästiger Fliegen begleitet. Und da gibt es diesen Moment, in dem ich mich frage: Warum mache ich das eigentlich? 

 

Magische Momente inmitten der Einsamkeit

Die Antwort finde ich, als wir pausieren. Als wir ganz oben stehen, auf einer der höchsten Dünenketten, unsere Campingstühle ausklappen, unsere nackten Füße in den warmen Sand graben, Espresso kochen und die letzten Krümel des betagten Kuchens naschen. Den Blick in die Unendlichkeit der Sahara gerichtet, das Licht und die Farben der Sandberge, diese absolute Stille. Erhebend!

Je weiter wir aus dem Erg fahren, desto fester wird der Boden wieder. Am letzten Tag ist der Sand so hell, dass man kaum Kontouren erkennen kann. Die Tafelberge von Tembaine verschmelzen am Horizont mit dem Himmel. Wir fahren wie die Profis über die letzten Dünen und fliegen, eine große Staubwolke hinter uns herziehend, über die flache Schotterebene. In Tembaine machen wir einen letzten gemeinsamen Stopp an einem Café und verdrücken frisch gebackene Brik, tunesische Teigtaschen, gefüllt mit Ei und Kartoffeln. Von hier aus fahren wir alleine weiter, denn schwierige Sandpassagen wird es nicht mehr geben. Nach Tagen ohne Handy, ohne Straßenlärm und belebte Restaurants, ohne spielende Kinder und bellende Hunde empfängt uns mit all dem die Oasenstadt Douz. Das Tor zur Sahara. Es wird noch eine Weile brauchen, bis wir wieder ankommen – zurück in der Gegenwart.

 

Warum wir uns für einen Landcruiser als Reisemobil entschieden haben, lest ihr hier.

Auf einer Dünenkuppe in Tunesien

 

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