BOTSWANA

Botswana – Ein Kurztrip auf Umwegen

Ein unbesetztes Gate am Ausgang des Kgalagadi Transfrontier Parks? Nach stundenlanger, einsamer Fahrt durch tiefe Sandpisten, vorbei an einem Autowrack und an ein paar Geiern, die anscheinend gerade die letzte Antilope in dieser Gegend verdrücken, stehen wir ratlos vor den Schranken. Es ist spät und es gibt kein Zurück in der Dämmerung. Intuitiv fahren wir ein Stück an den hohen Drahtzäunen entlang, die den Park einzurahmen scheinen – und stehen plötzlich erleichtert auf der Hauptstraße. Welcome Botswana.

 

 

Im Garten eines Hauses auf der anderen Straßenseite sehen wir einen Parkwächter. Der Ordnung halber zeigen wir ihm unseren Stempel für die Einreise, den wir bereits beim Parkeingang in Südafrika bekommen haben. Seine Bitte, bis morgens im angrenzenden Camp zu bleiben, schlagen wir jedoch aus. Wir werden das später bereuen. Hukuntsi ist etwa hundert Kilometer entfernt und unser Ziel für diese Nacht. Eine Überraschung erwartet uns bereits nach wenigen Metern. Eine Löwenmutter quert in Seelenruhe mit ihren drei Jungtieren die Straße. Auf ihren kurzen Beinchen stolpern die Kleinen hinter ihr her, während die Mutter uns aufmerksam beäugt und dann mit ihnen im Buschland verschwindet. Der Sand auf der Straße ist ausgefahren. Tiefe Spurrinnen hindern uns am schnellen Vorankommen, immer wieder liegen Kühe mitten auf der Straße. Sie machen keine Anstalten aufzustehen und schauen uns gelangweilt zu, wenn wir sie umständlich umfahren müssen. Vom Scheinwerferlicht unseres Autos aufgeschreckt, flattern Eulen in die zunehmende Dunkelheit davon. Als wir endlich in Hukuntsi landen ist es stockfinster. Laut Karte besteht der Ort aus wenigen Häusern, es gibt jedoch ein Hotel direkt an der Straße. Wir drehen eine kleine Runde in der Einfahrt und entscheiden hier lieber nicht auszusteigen. Im langgezogenen, ebenerdigen Bau wirken die windigen Türen wie eine Einladung ungefragt einzutreten. Ein paar düstere Gestalten lungern davor herum. Wir sind erschöpft. Aus Sorge vor Übergriffen fahren wir aber weiter und suchen nach einer einladenderen Alternative. Dann lassen uns die Karten im Stich. Es ist kein Telefonnetz verfügbar und kein Hotel weit und breit in Sicht. Alles sieht in der Dunkelheit gleich aus: Wellblechhütten, Strohmatten, dunkle Gestalten. Ich bin verzweifelt. In unserem Mietwagen, einem Toyota Prado, auf Helligkeit zu warten ist keine Option. Nach der langen, holprigen Etappe wissen wir nicht mehr, wie wir unsere Gliedmaßen platzieren sollen. Am Straßenrand stehen zu bleiben kommt schon deshalb nicht in Frage, aber auch, weil wir uns im tiefen Sand festfahren könnten. Wir irren zwischen kleinen Ortschaften umher und landen plötzlich an einer Mauer mit einer Schranke. Es ist eine Schule. Wir bitten den Wärter darum, innerhalb der geschützten Schulmauern im Auto schlafen zu können. Das heißt, wir versuchen es mit Händen und Füßen, weil er kaum englisch spricht. Sokrates ist unsere Rettung. Er ist Lehrer in der Schule, spricht perfekt englisch und kommt gerade zurück von seinem Abendessen. Jeder Lehrer hat in dem Schulareal ein eigenes Häuschen. Sokrates bietet uns eine harte Pritsche als Schlafplatz und sorgt damit für das gute Gefühl der Sicherheit für diese Nacht. Die zwei überdimensionierten Spinnen an der Wand versuche ich zu ignorieren. Auch die vielen anderen Krabbeltiere, und dass wir viel zu lang und zu breit für unser Bett sind. Nach dieser unerholsamen Nacht sieht es morgens aber bereits viel freundlicher aus. Wir wissen jetzt, dass wir in Lehututu gelandet sind und lassen uns von Sokrates den Weg Richtung Maun erklären. In der Hauptstadt des North West Districts hoffen wir auf Internet und Orientierung. 

 

Die Straße ist geteert und schrecklich langweilig. Hunderte Kilometer weit nichts als Buschland. Als wir in Maun ankommen, suchen wir im Getümmel der Straßen nach einem Internetcafé oder einer Vertrauen erweckenden Unterkunft. Vergeblich. Die Unsicherheiten der vergangenen Nacht wollen wir nicht wiederholen und entscheiden enttäuscht, nach Namibia weiterzufahren. Dort gibt es ein gutes Telefonnetz und viele Unterkünfte. Es war ein kurzer, kläglicher Versuch Botswana zu erkunden.

 

Eine Nacht später erreichen wir die wundervolle Lodge Otjimbondona Kalahari von Wilfried und Anita. Hier erholen wir uns von den vergangenen zwei Wochen, in denen wir bereits 6.000 km gefahren sind. Wir entspannen im Whirlpool und auf der Terrasse unserer Villa mit Blick auf das eigene Wasserloch, werden mit Leckereien verwöhnt und beobachten die Tiere der Lodge bei abendlichen Gamedrives. Wie der Zufall es will, lernen wir ein Ehepaar kennen, dass mit Wilfried nach Botswana fliegen möchte. Wir entscheiden kurzerhand mitzukommen. So fliegt uns Wilfried mit seiner Cessna drei Tage später zurück nach Botswana in das Okavango Delta.

 

 

Eingewachsen in dichter Vegetation liegen die großzügigen Chalets der Xudum Okavango Delta Lodge. In der Nacht hören wir das Grunzen der Nilpferde und die Elefanten, die vor der Haustüre Zweige von den Bäumen brechen. Beim frühmorgendlichen Gamedrive stoßen wir auf eine frisch gerissene Giraffe und suchen nach den Jägern. Wir entdecken zwei Löwenmännchen hinter einem Baum, in dessen Schatten sie mit vollgeschlagenen Plauzen bewegungsunfähig nach Luft japsen. Ich könnte Stunden damit verbringen, die Tiere zu beobachten, aber das Okavango Delta hat noch so viel mehr zu bieten. Auf unseren Fahrten begegnen wir Herden an Elefanten, Gnus, Giraffen und verschiedenen Antilopenarten. Es hat vor kurzem stellenweise gebrannt. Zwischen dem nachwachsenden Gras, das eine unwirklich grellgrüne Farbe hat, liegen glimmende und verkohlte Äste von denen feine Rauchschwaden aufsteigen.

 

Zebras in Botswana

Große Elefantenherden leben im Okavango-Delta in Botswana

 

Eine Horde Affen sitzt in hohen Bäumen und schreit aufgeregt. Irgendwo muss ein Leopard herumstreifen. Unser Guide versucht erfolglos die Spur zu finden. Dafür entdecken wir eine Gruppe junger, tapsiger Hyänen beim Raufen und bewundern die Kraft, mit der Elefanten mit ihrem Rüssel dicke Äste von den Bäumen brechen. Zweimal täglich fahren wir an dem Giraffenkadaver vorbei und beobachten, wie er langsam weniger wird. Träge bewachen die Löwen ihr Opfer und lassen den Magen unberührt, damit keine weiteren Räuber vom Gestank anlockt werden. Vielleicht können sie sich aber auch einfach nicht mehr rühren. Einzig ein Falke wagt es mitzufressen.

 

 

Am letzten Tag werden wir vom Donnern tausender Hufen überrascht. Eine riesige Herde Büffel jagt über das Grasland und bleibt irritiert vor uns stehen. Es müssen an die tausend Tiere sein. Die Vielfalt und Dimension der Tierwelt im Okavango ist ein Wunder, wie wir es bisher nirgends entdecken konnten.

 

Büffelherde im Okavango-Delta in Botswana

 

Nach drei weiteren Nächten ist es Zeit für den Abschied aus diesem Paradies. Der letzte Besuch bei der Giraffe zeigt, dass außer den Knochen und dem immer noch intakten Magen nichts mehr geblieben ist. Die Löwen scheinen auch weiter gezogen zu sein, einen Anstandsrest ihrer üppigen Mahlzeit überlassen sie den Anderen. Auf dem kleinen Rollfeld wartet einsam Wilfrieds Cessna. Die kleinen Räder flitzen über die Schotterpiste, wir heben ab, gleiten über die Steppe hinweg und über Wasserlöcher, an denen sich Elefanten versammeln. Botswana und ich – wir sind wieder versöhnt. 

 

Blick auf ein Wasserloch in Botswana

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